„Wellbeing“ ist ein wichtiges Bildungsziel für Schulen und Lehrpersonen

Schulen und Lehrpersonen fördern nicht nur den Kompetenzzuwachs, sondern sorgen auch für das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler.
Jürg Arpagaus

Die mentale Gesundheit von Lehrpersonen und Schüler:innen ist in den letzten Monaten verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten. Die hohe Belastung der Schulen und Lehrpersonen durch die COVID-Pandemie, den Lehrpersonenmangel, die Integration geflüchteter Kinder aus der Ukraine, die gestiegenen Anforderungen an die Schulen und Lehrpersonen usw. haben die Frage nach der mentalen bzw. psychischen Gesundheit der Schüler:innen sowie Lehrpersonen aufgeworfen.

Was ist "Wellbeing"?

Die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist eine wichtige Einflussgrösse von Wellbeing und ist sowohl Voraussetzung wie auch Ziel einer guten Bildung. Die mentale Gesundheit ist nicht bloss die Abwesenheit von negativen Emotionen, Leid oder einer Erkrankung, sondern beinhaltet ein stabiles Selbstwertgefühl, eine gefestigte Identität und das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Handlungskontrolle (WHO, 2014). Die mentale Gesundheit wirkt sich positiv auf die Empfindsamkeit für sich selbst und andere aus, verstärkt die positiven Emotionen und Gemütslagen (z.B. Glück, Zufriedenheit) und erleichtert den Umgang mit negativen Emotionen wie Angst und Depression. Neben der mentalen Gesundheit beinhaltet Wellbeing auch physiologische, ökonomische, ökologische und politische Aspekte, welche zusammen in einem Gleichgewicht stehen.


Ganz generell wird Wellbeing als die generelle Zufriedenheit mit dem (eigenen) Leben verstanden. Wellbeing wird u.a. von der Biologie (d.h. Genen), der mentalen und physischen Gesundheit und vom sozialen Umfeld beeinflusst.

Schulen haben einen grossen Einfluss auf das Wellbeing von Schüler:innen

Aufgrund des Einflusses der Schule auf das Wohlergehen der Schüler:innen verwundert es nicht, dass die Schulen und Lehrpersonen bei Schülerinnen und Schülern einen ebenso grossen Einfluss auf deren Wellbeing haben wie ihre Eltern (vgl. Layard/De Neve, 2023).

Schulen und Lehrpersonen müssen sich dieser grossen Verantwortung und der gleichzeitigen Möglichkeit zur Mitgestaltung bewusst sein, zumal Wellbeing von Jugendlichen die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben im Erwachsenalter stärker beeinflusst, als dies beispielsweise der schulische Erfolg tut (vgl. Layard/De Neve, 2023). Clark et al. (2018) zeigen zudem, dass die Lehrpersonen einen grösseren differenzierenden Effekt auf das Wellbeing der Schülerinnen und Schüler haben, als auf die Schulleistungen in Mathematik. Wenn man bedenkt, dass Lehrpersonen, die das Wellbeing der Schülerinnen und Schülern verbessern, damit auch deren Schulerfolg erhöhen (Fleche et al., 2021), dann wird der Fokus auf Wellbeing in der Bildung erst recht plausibel.

Heute stehen im Kontext der mentalen Gesundheit und des Wellbeing der Schüler:innen Fragen wie Mobbing, Unterrichtsstörungen und der Umgang mit sozialen Medien im Fokus. Gerade Mobbing führt bei den betroffenen Schüler:innen zu einer substanziellen Reduktion ihrer mentalen Gesundheit bzw. Wellbeing (z.B. Moore et al., 2017). Schulen können Mobbing mit entsprechenden Programmen – wie sie beispielsweise in Finnland genutzt werden (vgl. Menesini/Salmivalli, 2017) – bekämpfen. Eine kompetente Klassenführung beispielsweise vermeidet die Störungen des Unterrichts durch Schüler:innen und fördert gesunde soziale Beziehungen in der Klasse, was wesentlich zum Wellbeing und der Kompetenzentwicklung der Schüler:innen beiträgt (z.B. Ford et al., 2019).

Warum Lehrpersonen ihr Wellbeing stärken sollten

Auch das Wellbeing der Lehrpersonen wirkt auf die Leistungen und das Wellbeing der Schüler:innen. Lehrpersonen tun also gut daran, ihr Wohlbefinden nicht aus den Augen zu verlieren. Sie können dies durch die Stärkung ihrer physischen und mentalen Gesundheit tun, aber auch durch die Erhöhung ihrer Selbstwirksamkeit über einen gezielten Kompetenzausbau. Aktuell werden «Mindfulness-Trainings» von Lehrpersonen stark nachgefragt. Dabei handelt es sich sowohl um Trainings, welche die mentale Gesundheit der Lehrpersonen stärken als auch um Angebote, die aufzeigen, wie Lehrpersonen die mentale Gesundheit ihrer Schülerinnen und Schüler stärken können.


Heute gehört aus meiner Sicht Wellbeing – als explizit erklärtes Ziel einer Schule – zum Fundament einer guten Schule für alle, die im Sinne der alten Griechen auf eine gelungene Lebensführung oder ein glückliches Leben vorbereitet.

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Jürg Arpagaus ist Leiter des Instituts für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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