Lehrpersonenmangel als Auslöser für ein neues Schulmodell

Wie ein Schulteam gemeinsam die Schule unter Einsatz der vorhandenen Ressourcen weiterentwickelt hat, um dem Lehrpersonenmangel erfolgreich zu begegnen.

Der Zug fährt durch eine winterliche Landschaft talabwärts. Inspiriert vom Austausch mit Lehrpersonen, dem Schulleiter, der Schulkommissionpräsidentin sowie dem Schulinspektor einer Schule* mache ich mich auf den Weg zurück nach Bern.

Die Schule, die ich heute besuchen durfte, hat es geschafft, aus einer Notmassnahme zum Lehrpersonenmangel ein Schulentwicklungsprojekt abzuleiten, durch das fundamentale Aspekte der Schule gemeinsam neugestaltet werden. Hier die wichtigsten Eckpfeiler der erarbeiteten Lösung:

  • Eine Klasse umfasst vierzig Schülerinnen und Schüler aus drei Jahrgängen.
  • Ein multiprofessionelles Team ist gemeinsam verantwortlich für die Klasse.
  • Grundsätzlich findet jede Lektion im Teamteaching statt. Einzelne Lektionen bestreitet eine Lehrperson alleine (z.B. Französisch 4. Klasse mit neuen Schülerinnen und Schülern). Dabei stehen der Schule genauso viele Ressourcen zur Verfügung, wie allen anderen Schulen auch.
  • Das Lernen erfolgt konsequent auf der Basis eines Konzepts innerer Differenzierung.
  • Die Planung der Lernprozesse sowie die Vorbereitung der Materialien erfolgt arbeitsteilig, sprich jede Lehrperson im Team übernimmt die Verantwortung für gewisse Fachbereiche.
  • Damit die Ansprechperson für die Eltern klar ist, ist jeweils eine Lehrperson als „Klassenlehrperson“ einer Klasse bezeichnet.

Im Gespräch mit den anwesenden Erwachsenen und den Kindern sowie im Rahmen der Beobachtung des Geschehens zeigt sich:

  • Auf einzelne kurze Sequenzen im Klassenverband folgen lange konzentrierte Lernphasen, in denen die Schülerinnen und Schüler eigenständig einzeln und in Gruppen lernen und dabei von den anwesenden Lehrpersonen bei Bedarf unterstützt werden.
  • Die Kinder verfügen über ein hohes Mass an Eigenständigkeit und Kompetenzen in der Selbstorganisation. Das gilt auch für Kinder mit speziellem Förderbedarf.
  • Dank des gelebten Coachingkonzepts kennen die Lehrpersonen die einzelnen Kinder sowie deren Lernstand besser als in der traditionellen Klassenkonstellation bzw. den lehrpersonenzentrierten Unterrichtssettings.
  • Die Lehrpersonen fühlen sich entlastet, weil sie nicht alleine die Verantwortung tragen, sondern diese teilen können. Zudem ergibt sich eine grosse Entlastung durch die Arbeitsteilung in der Unterrichtsplanung und Vorbereitung.

In der Diskussion halten der Schulleiter und eine der Lehrpersonen fest, dass zentrale Impulse für die Entwicklung der oben skizzierten Lösung aus Weiterbildungen wie dem CAS Heterogenität als Chance nutzen, dem DAS Schulen leiten und dem MAS Bildungsmanagement kamen.

"Ich möchte nie mehr zurück zur früheren Situation, als ich alleine für eine Klasse verantwortlich war."
Lehrerin

Inspiriert von dem Besuch bleiben bei mir zwei wichtige Aussagen der Lehrpersonen hängen. Eine Lehrerin stellt fest: „Dank der Umstellung auf die neue Form erlebe ich heute, dass das Lernen zur gemeinsamen Aufgabe von den Kindern und uns als Lehrpersonen wurde.“ Eine andere Lehrerin bringt es auf den Punkt: „Ich möchte nie mehr zurück zur früheren Situation, als ich alleine für eine Klasse verantwortlich war.“

Es ist toll, einen Einblick in solche Schulen zu bekommen, insbesondere deshalb, weil die Studierenden der PHBern die Möglichkeit haben, an dieser und vergleichbaren Schulen im Rahmen von Praktika wichtige Erfahrungen zu sammeln und die Schulen damit gemeinsam mit der PHBern eine qualitativ hochstehende Ausbildung ermöglichen.

*Ich verzichte auf exakte Angaben zur Schule, da Vergleichbares über viele Schulen berichtet werden könnte.

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Martin Schäfer ist Rektor der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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