Bildung und Betreuung verbinden: Erkenntnisse aus dem Austauschprojekt Bern und Malmö

In den Schulen ist es wichtig, dass Lehrkräfte und Betreuungspersonen zusammenarbeiten. Dies wurde im Rahmen des Austauschprojekts mit Schweden deutlich.

Aus der Diskussion zwischen den Lehr- und Freizeitlehrpersonen aus Malmö und den Bildungsverantwortlichen, den Tagesschul- und Schulleitenden aus der Schweiz, entstanden konkrete Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Bildungs- und Betreuungsverzahnung.

Schweden und Schweiz im Vergleich

Schweden vertritt ein „Nordic welfare model“, das eine starke Verbindung zwischen Bildung und Betreuung („educare“) aufweist. Das System ist gegenüber der Schweiz umfassender und integrierter, mit einem staatlich subventionierten und geringfügig kostenpflichtigen Fritidshem (Freizeitheim), das Bildung und Freizeit kombiniert und für alle Kinder verfügbar ist. Die Ausbildung der Lehrkräfte umfasst Elemente aus den Bereichen Unterricht wie auch Freizeit und fördert eine enge Zusammenarbeit und gemeinsame Planung zwischen den Lehrpersonen und den Freizeitlehrkräften. Im Gegensatz dazu besteht im schweizerischen Bildungssystem eine strukturelle Trennung zwischen Bildung und Betreuung und die Ausbildung der Betreuungspersonen (Fachperson Betreuung, Soziale Arbeit etc.) hat oft keinen konkreten Bezug zum Schulsystem. Im Allgemeinen gilt es anzuerkennen, dass Betreuungspersonen eine wichtige Expertise und einen anderen Blickwinkel auf die pädagogische Arbeit einbringen können. Dies ermöglicht es, unterschiedliche Lösungsansätze im Unterricht und in der Betreuungsarbeit zu integrieren und die Schüler*innen fächerübergreifend optimal zu unterstützen.

Was heisst das für uns?

Insgesamt zeigt der internationale Vergleich, dass in Schweden die multiprofessionelle Kooperationskultur stärker etabiliert ist als in der Schweiz. Eine gemeinsame Vision zwischen Lehr- und Betreuungspersonen ist entscheidend, um eine umfassende und bedarfsgerechte Bildung und Betreuung aller Schüler*innen zu gewährleisten. Für die Weiterentwicklung in der Schweiz haben wir sechs Empfehlungen formuliert:

  1. Überdenken der Rolle schulergänzender Tagesstrukturen in unserer Gesellschaft
  2. Entwickeln eines (gesamtschweizerischen) Lehrplans für die Bildung und Betreuung (Educare)
  3. Förderung des Verständnisses und Diskussion der Erwartungen an die Kooperation zwischen Lehr- und Betreuungspersonal
  4. Förderung von kreativen Optionen in der Raumnutzung (mit der Schule)
  5. Ausbau eines institutionell betreuten Mittagessens für alle (bedingt Infrastrukturausbau)
  6. Entwicklung von Aus- und Weiterbildungsangeboten mit einem ganzheitlichen Bildungsansatz

 

Die schulergänzenden Tagesstrukturen könnten auch in der Schweiz noch stärker dazu genutzt werden, um das spielerische Lernen zu unterstützen und dabei grundlegende soziale Kompetenzen wie auch die Sprachentwicklung und Fantasie der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Werden zudem die Räume polyvalent genutzt und wird eine gemeinsame Vision durch klare Vorgaben für Bildungs- und Betreuungsinstitutionen betont, wird die Verzahnung zwischen Bildung und Betreuung strukturell begünstigt. So entsteht eine Schule, in der Kinder und Jugendliche sowohl im Unterricht wie auch in der Freizeit Angebote erhalten, die ihre positive Entwicklung gezielt fördern und die die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich im steigenden Bedarf an Betreuung zeigen, proaktiv wahrnimmt. Diese Weiterentwicklung braucht Unterstützung. Ob und inwiefern die Schweizer Bildungspolitik auf diesen Bedarf und dieses Potenzial reagieren wird, ist noch unklar.

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Die PHBern engagiert sich für Tagesschulen

Der Erfahrungsbericht vergleicht die Bildungssysteme der Schweiz und Schwedens:

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Michelle Jutzi ist Dozentin und Beraterin am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.
Helen Gebert ist Dozentin und Beraterin am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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