Unterrichtende ohne Lehrdiplom – wie die PHBern die Schulen unterstützt

Der Start im Schulzimmer ist für frisch ausgebildete Lehrpersonen anspruchsvoll. Für Personen, die ohne adäquate pädagogische Ausbildung an einer Schule unterrichten, ist dieser Einstieg eine grosse Herausforderung.
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In ihrer Ausbildung erwerben angehende Lehrpersonen Wissen und Fähigkeiten, um ihren Unterricht lernwirksam zu gestalten, Schüler*innen in ihrer Entwicklung zu fördern und mit diversen Anspruchsgruppen im Schulfeld in unterschiedlichen Kontexten erfolgreich zusammenzuarbeiten. Dabei setzen sie sich auch vertieft mit berufsethischen Aspekten auseinander, die in Ergänzung zu den professionellen Kompetenzen im späteren Berufsalltag wichtige Orientierung geben (vgl. Orientierungsrahmen der PHBern, 2012). Das Lehrdiplom ist der Ausweis für die erworbene Professionalität – im Sinne von «gekonnter Beruflichkeit» (vgl. Hof & Eglof, 2021, S. 152) – und befähigt die erfolgreichen Absolvent*innen zur Ausübung des Lehrberufs.

Hoch angespannte Arbeitsmarktsituation an Schulen

Im Schuljahr 2022/23 hat sich der Lehrpersonenmangel zugespitzt und schweizweit haben Schulen viele unausgebildete Lehrpersonen sowie Lehrpersonen mit einem zielstufenfremden Lehrdiplom angestellt. Die Anzahl der Vollzeitstellen, welche mit Personen ohne anrechenbares Diplom besetzt sind (inklusive PH-Studierende, welche noch nicht 50 Prozent der erforderlichen Studienleistungen erbracht haben), beträgt im Kanton Bern 7,5 Prozent (Quelle: BKD, März 2023).

Für das System Schule ist die Anstellung von Personen ohne adäquate pädagogische Ausbildung eine Herausforderung. Zwar kann dank ihrem Engagement der Unterricht aufrechterhalten werden und alle Schüler*innen sind in der Schule betreut. Zugleich brauchen sie viel Unterstützung von ihren ausgebildeten Kolleg*innen, die über fundierte pädagogische, fachliche sowie (fach)didaktische Kompetenzen verfügen.

Wer sind die "anderen Lehrpersonen"?

Eine nicht repräsentative Umfrage der PHBern bei Weiterbildungs-teilnehmenden ohne Lehrdiplom zeigt, dass die befragten Personen sehr heterogen ausgebildet sind. Sie verfügen über:

  • eine Berufsbildung (mit und ohne Berufsmaturität) mit einem EFZ-Abschluss
  • ein universitäres Fachstudium ohne pädagogische Ausbildung
  • eine pädagogische Ausbildung als Fachfrauen und Fachmänner Betreuung (FaBe) auf Sekundarstufe II (EFZ)
  • eine sonderpädagogische Ausbildung auf der Stufe der höheren Berufsbildung (HBB)

Aber nicht nur in Bezug auf ihre Qualifikation und Erfahrungen in und ausserhalb des Bildungswesens, sondern auch hinsichtlich ihres Einsatzes im Schuldienst sind Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung eine sehr heterogene Personengruppe. Zu ihrem Anstellungsverhältnis (Arbeitspensum, Funktion (Klassenlehrperson/Fachlehrperson), unbefristete/befristete Anstellung etc.) liegen wenig Informationen vor. Auch über ihre Verweildauer im Schuldienst gibt es noch keine Daten. Angesichts der steigenden Anforderungen und der damit verbundenen hohen Ansprüche, die generell an Lehrpersonen gestellt werden, ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit im Schuldienst für Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung besonders herausfordernd ist. Dies lässt auch vermuten, dass die Fluktuation bei dieser Personengruppe entsprechend höher sein könnte als bei ausgebildeten Lehrpersonen, die über die erforderlichen professionellen Kompetenzen verfügen.

"Die Weiterbildungen ersetzen nicht eine adäquate pädagogische Ausbildung, wie sie Studierende an Pädagogischen Hochschulen erwerben."
Monika Baumann, PHBern

Warum bietet die PHBern Weiterbildungen für Personen ohne Lehrdiplom an?

Um die zahlreichen Personen ohne Lehrdiplom, die aktuell an Berner Schulen unterrichten, in ihren vielfältigen und auch schwierigen Aufgaben zu unterstützen, bietet die PHBern seit letztem Sommer verschiedene Weiterbildungsformate und Beratungen an. Diese ersetzen nicht eine adäquate pädagogische Ausbildung, wie sie Studierende an Pädagogischen Hochschulen erwerben. Vielmehr soll damit erreicht werden, dass

  • Unterrichtende ohne Lehrdiplom einen stark komprimierten Wissensaufbau zu den wichtigsten einschlägigen Fachthemen rund um den Lehrberuf erarbeiten;
  • bei der Auseinandersetzung mit praxisrelevanten Handlungsweisen in ihrem Berufsalltag unterstützt werden;
  • Schülerinnen und Schüler die aktuell bestmögliche Schulbildung erhalten;
  • das Kollegium und die Schulleitung bei der Einführung und Begleitung von Unterrichtenden ohne Lehrdiplom an ihrer Schule entlastet werden.

Sommer Camp 2023

Bei den Unterrichtenden ohne Lehrdiplom, deren erstes Berufsjahr sich bereits dem Ende zuneigt, steigt das Bedürfnis nach fachdidaktischer und methodischer Weiterbildung, um ihren Unterricht zu optimieren. Beim ihrem Start in den Schuldienst stehen dagegen Weiterbildungen zu überfachlichen Themen und eine inhaltlich breitere Unterstützung im Fokus.
Das in den ersten beiden Sommerferienwochen geplante Sommer Camp für Unterrichtende ohne Lehrdiplom nimmt diese Bedürfnisse auf. So werden sich die Teilnehmenden mit grundlegenden und weiterführenden Themen rund um den Lehrberuf auseinandersetzen. Darüber hinaus erhalten sie die Möglichkeit, das erste Schulquartal unter professioneller Begleitung zu planen.

Und wie geht es weiter?

Die demografische Entwicklung und die wachsenden Schüler*innenzahlen (vgl. dazu BFS), gesellschaftliche Trends, die sich auf das Berufsleben auswirken (z.B. Zunahme von Teilzeitarbeit, häufigere Wechsel im Verlauf der beruflichen Laufbahn) und nicht zuletzt die wachsenden Anforderungen an Lehrpersonen stärken die Vermutung, dass die Arbeitsmarktsituation an Schulen länger angespannt bleiben wird. Damit wird auch die Anstellung von Personen ohne Lehrdiplom und von ausgebildeten Lehrpersonen in Zyklen, für die sie kein Zielstufendiplom aufweisen, an Schulen Realität bleiben.

Entlang ihrer Vision – die Schule der Zukunft innovativ, vernetzt und agil zu gestalten – wird die PHBern ihre Weiterbildungen bedürfnis- und bedarfsorientiert weiterentwickeln. Die Anstellung von Personen ohne Lehrdiplom an Schulen erfordert neue Lösungsansätze. Dabei zeigt sich, wie bedeutsam die Verzahnung von Grundausbildung und Weiterbildung auch bei dieser Zielgruppe ist. Nur gemeinsam kann das erklärte Ziel erreicht werden, die Teilnehmenden mit attraktiven Anreizen zu motivieren, die erforderliche pädagogische Ausbildung berufsbegleitend zu absolvieren.

Infobox

Die PHBern engagiert sich aktiv gegen den Lehrpersonenmangel im Kanton Bern. Neben den oben erwähnten Weiterbildungs- und Beratungsangeboten sowie dem Sommer Camp ermöglichen und vereinfachen die folgenden Angebote eine berufsbegleitende pädagogische Ausbildung:

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Monika Baumann ist Leiterin Zentrum für Professionalitäts- und Laufbahnentwicklung am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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