Digitale Transformation und „Steppenhexen“: Lasst uns wenigstens die Windrichtung bestimmen

Die digitale Transformation hat vielfältige Auswirkungen auf das Lernen und Lehren. Schulen sollten gezielt darüber nachdenken, wie sie die neuen Technologien in den Schulalltag integrieren können und was diese zu einer qualitativ hochwertigen Bildung für Schülerinnen und Schüler beitragen können.
Helen Gebert

Wenn in Westernfilmen die Steppenhexen durch die Steppe rollen, erklingt meist dramatische Musik. Unkontrolliert fegen die Ballen über das ausgetrocknete Land und durch die verlassenen Westernstädte. Mir scheint, als würde dasselbe auch auf die digitale Transformation zutreffen. Unkontrolliert und gebündelt, mal klein, mal gross, durchzieht dieses Thema die Gesellschaft. «Es» ist schwer zu fassen, unklar, ob Fluch oder Segen. «Es» ist einfach präsent. Seit Corona wird «Es» mit Fernunterricht und Home-Office assoziiert, seit 2022 mit künstlicher Intelligenz.

Doch was ist die digitale Transformation eigentlich?
Dieser Blog versucht, das komplexe Thema mit Blick auf die Volksschule einzugrenzen.

Digitale Transformation ist mehr als nur "analog zu digital"

Oft wird die digitale Transformation mit elektronischen Hilfsmitteln gleichgesetzt. Das Buch ist nun auf dem Tablet, Zeichnungen werden auf dem Tablet statt auf Papier gemacht. Doch das reicht nicht aus, um den Einsatz elektronischer Geräte im Unterricht zu begründen. Denn es geht nicht darum, Analoges durch Digitales zu ersetzen, sondern darum, dass digitale Technologien neue Möglichkeiten für effektives Lernen, Lehren und Zusammenarbeiten in der Schule eröffnen können.

Lassen wir dabei nicht ausser Acht, was für erfolgreiches Lernen wesentlich ist.  Stellen wir uns der Frage, wie technische Unterstützung das erfolgreiche Lernen fördern kann.  John Hattie hat die Faktoren für erfolgreiches Lehren belegt. Wie können technologische Möglichkeiten dazu beitragen, dass sowohl die Schule als Ganzes als auch die Lehrkräfte individuell diese Faktoren noch besser bedienen können?

Zeit sparen dank digitaler Hilfsmittel

Die grösste Unterstützung durch die Digitale Transformation für Lehrpersonen und für die gesamte Schule liegt vermutlich in der Zeitersparnis. Zum Beispiel beim Verfassen von Mitteilungen an Erziehungsberechtigte, im Austausch im Klassenteam und Kollegium, bei der Formulierung und Zusammenstellung von sinnvollen Aufgaben, bei der individuellen Unterstützung und Begleitung von Schülerinnen und Schülern, sowie bei der Korrektur von konvergenten Fragen. In Zukunft könnte künstliche Intelligenz möglicherweise sogar Feedback zu divergenten Aufgabenstellungen geben, Lernfortschritte erkennen und differenziert erfassen. Wir werden sehen.

Meine innere kritische Stimme meldet sich bei diesem Gedanken zu Wort: „Muss denn wirklich alles immer schneller gehen? Muss Zeit eingespart werden?“

Und sofort wird klar: Es geht nicht darum, Zeit einzusparen, sondern die Arbeit anders zu organisieren. Dass ich bereit bin, mein Handeln kritisch zu überdenken und die gewonnene Zeit für andere Zwecke zu nutzen. Etwa für das konsequente Umsetzen der Erfolgsfaktoren nach John Hattie, wie zum Beispiel regelmässiges Feedback an die Schülerinnen und Schüler, klare Lernziele und zu erwerbende Kompetenzen, positive und unterstützende Beziehungen und eine grössere Vielfalt an Lehrmethoden.

Wie gelingt es, die digitalen Hilfsmittel optimal zu nutzen?

Es geht also nicht um das Einsparen von Zeit. Es geht darum, die vorhandene Zeit so zu nutzen, dass sie das Lehren und Lernen noch besser unterstützt. Dies erfordert die Bereitschaft, die Rolle der Lehrperson zu überdenken. Mehr Kooperation und Zusammenarbeit und auch individuelle Unterstützung sind gefragt. Die vorhandenen technischen Errungenschaften können diese Aspekte bereits heute in der Schule unterstützen.

Lernen Sie diese kennen, damit sie nicht planlos an Ihnen vorbeiziehen wie Steppenhexen im Wind.

Dazu gehört, die Vision zur digitalen Transformation zu diskutieren: mit den Bildungsbehörden, der Schulleitung und den Lehrpersonen.  Es hilft, wenn klarer wird, wie die Technologien einen unterstützenden Beitrag zur Schule leisten können, zum Beispiel indem sie:

  • den Zugang zu Informationen und Ressourcen erweitern und das Lernen über das traditionelle Klassenzimmer hinaus ermöglichen,
  • das personalisierte Lernen fördern, bei dem die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen der einzelnen Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden,
  • Motivation und Engagement durch interaktive Lernmethoden, multimediale Inhalte und gamifizierte Ansätze steigern,
  • Aufgaben erleichtern und mehr Zeit für direkten Unterricht und individuelle Schülerbetreuung schaffen,
  • im Unterricht die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler stärken und sie auf die Anforderungen einer digitalen Gesellschaft vorbereiten.
"Es geht nicht darum, Analoges durch Digitales zu ersetzen, sondern darum, dass digitale Technologien neue Möglichkeiten eröffnen können."
Helen Gebert, Dozentin PHBern

Aus der Vision können konkrete Ideen für die Schule entstehen

Zum Beispiel:

  • wie das Querschnittsthema Medien und Informatik aus dem Lehrplan 21 umgesetzt wird,
  • welche Technologien die Schule wirklich benötigt und wie sie sinnvoll, unter Beachtung des Datenschutzes und des Wissens um das kognitive Lernen, eingesetzt werden können,
  • wie Technologien, die das personalisierte Lernen unterstützen, eingesetzt werden (beispielsweise mithilfe eines Zugangs zu Online-Kursen und virtuellen Lernplattformen),
  • wie kollaboratives Arbeiten in der Schule bei Schülerinnen und Schülern sowie im Kollegium unterstützt wird,
  • wie Lerninhalte spielerisch präsentiert werden, um das Interesse und die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu steigern und nicht zuletzt
  • wie Technologien eingesetzt werden können, um einen echten Mehrwert in Verbindung mit der Umsetzung des Lehrplans zu bieten.

Die Windrichtung selbst bestimmen, dank den Angeboten der PHBern

Die PHBern unterstützt Sie mit vielfältigen Angeboten dabei, die digitale Transformation in Ihrer Schule optimal zu nutzen. 

Denn wer will schon als Steppenhexe einfach durch die Umgebung rollen und nicht wissen, wohin es einen weht?

Quelle:

Hattie J., zitiert nach Steffens, U. und Höfer D. (2016). Lernen nach Hattie. Wie gelingt guter Unterricht? 2016, S. 238-240. Download: 19.9.23

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Helen Gebert ist Dozentin und Beraterin am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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