Fünf Gründe, warum das Teilen von Unterrichtsmaterial zu mehr Zufriedenheit führt

In einer Zeit, in der Konsum und Individualismus dominieren, eröffnet das Teilen von Unterrichtsmaterialien neue Wege der Zusammenarbeit und stärkt das Miteinander.

Das Teilen von Unterrichtsmaterial (damit sind auch Ideen, Dokumentationen, Erfahrungen, Gegenstände und ähnliches gemeint) kann auf Lehrpersonen eine transformative Kraft haben. Es geht nicht nur darum, einander Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, von- und miteinander zu lernen und eine Art von Verbundenheit zu schaffen. In diesem Blogbeitrag wird – etwas experimentell – erkundet, wie das Teilen von Unterrichtsmaterial die Zusammenarbeit bereichert, die gegenseitige Wertschätzung fördert und die Zufriedenheit im Arbeitsalltag erhöht.

1. Gemeinschaft stärken

Wenn Menschen Dinge und Informationen teilen, entsteht eine Verbindung, die über den reinen Austausch hinausgeht. Gebende fühlen sich nützlich, indem sie zum Beispiel bewährtes Unterrichtsmaterial und Erkenntnisse an einen Kollegen mit weniger Erfahrungen weitergeben oder bei der Unterrichtsvorbereitung einer gestressten Kollegin behilflich sein können. Empfangende fühlen sich dadurch wahrgenommen und unterstützt. Damit wird eine Atmosphäre der Offenheit, des Vertrauens und der Wertschätzung geschaffen, was eine konstruktive, inspirierende Zusammenarbeit fördert. Gerade für Lehrpersonen, die sich nicht selten als Einzelkämpfer*innen oder gar in Konkurrenz zueinander wahrnehmen, ist es eine wohltuende Erfahrung, sich als Teil einer Gemeinschaft zu verstehen (Wenger-Trayner 2020). In einem Kollegium kann dadurch ein echtes Gefühl von „Zusammen-unterwegs-sein“ entstehen.

2. Nachhaltigkeit fördern

Das Teilen insbesondere von physischen, aber auch von digitalen Unterrichtsmaterialien trägt zu einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigeren Lebensweise bei. Indem Lehrpersonen Bücher, digitale Materialsammlungen oder Gegenstände, die sie nicht ständig brauchen, mit anderen teilen, fördern sie eine effiziente Nutzung von Energie, (Steuer-)Geld und anderen Ressourcen (Muuß-Merholz 2020). Dies kann innerhalb einer Schule passieren, indem z.B. Sammlungen mit historischen Gegenständen, spezielle Werkzeuge oder Knowhow an Kolleg*innen weitergegeben werden. Über die Schulhausgrenzen hinaus können Ressourcen geschont werden, indem teure, nur sporadisch gebrauchte Unterrichtsmaterialien z.B. in einer Mediothek ausgeliehen werden oder aber indem selbst entwickelte Unterrichtsmaterialien als offene Bildungsressourcen (OER) im Internet zur Verfügung gestellt werden. Dies führt zu einem Gefühl der Zufriedenheit, da Teilende aktiv zur Lösung eines globalen Problems bzw. etwas zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen können.

3. Grosszügigkeit kultivieren

Der Akt des Schenkens wird von zahlreichen Studien als Quelle der Zufriedenheit und des Wohlbefindens anerkannt (z.B. Aknin et al. 2013). Die Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen und sie bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu unterstützen, stärkt erwiesenermassen die eigene Zufriedenheit. Indem Menschen bereit sind, ihre Ressourcen mit anderen zu teilen, demonstrieren sie nicht nur ihre Empathie füreinander, sondern steigern durch ihr altruistisches Handeln signifikant das eigene subjektive Wohlbefinden.

4. Zeit gewinnen

Das Teilen von Unterrichtsmaterialien hat einen weiteren positiven Effekt: Tagtäglich sind Lehrpersonen auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig gefordert. Zeit ist ein wertvolles Gut. Indem Lehrpersonen Unterrichtsmaterialien, eine besondere Expertise oder neu gewonnene Erkenntnisse miteinander teilen, bleibt mehr Zeit für die Unterrichtsentwicklung, für Innovation und Kreativität, für die Pflege des Netzwerks, für inspirierende Weiterbildungen und zum Auftanken.

5. Von- und miteinander lernen

Wenn Lehrpersonen ihre Unterrichtsmaterialien miteinander teilen oder sogar gemeinsam erstellen, entstehen wertvolle Gelegenheiten für die Weiterentwicklung des eigenen Unterrichts. Durch den Austausch von Materialien und Ideen profitieren Lehrpersonen von den unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen ihrer Kolleg*innen. Dieser kollaborative Ansatz fördert die kreative Entwicklung neuer Unterrichtsansätze, aber auch die Reflexion der bestehenden Methoden. Wenn Lehrpersonen gemeinsam Materialien erstellen, führt dies oft zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Lehrinhalt, da sie gezwungen sind, ihre didaktischen Entscheidungen zu hinterfragen und zu erklären.

Darüber hinaus fördert dieser Austausch eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung, in der Lehrpersonen nicht isoliert arbeiten, sondern Teil einer dynamischen Lerngemeinschaft sind. Dies kann zu einem verbesserten Unterricht führen, da die besten Praktiken verbreitet und innovative Ideen schneller umgesetzt werden. Letztlich profitieren auch die Schüler*innen von einem abwechslungsreicheren und durchdachteren Unterricht, der durch kollektive Expertise und Kreativität gestützt wird.

Fazit

Das Teilen von Unterrichtsmaterial, -ideen oder Erfahrungen ist mehr als nur ein Akt der Effizienzsteigerung. Es ist eine Quelle von Inspiration und Wertschätzung und erhöht Zufriedenheit und Wohlbefinden aller Beteiligten. Weiter werden dadurch Möglichkeiten geschaffen, um von- und miteinander zu lernen und sich für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen.

Aknin, L. B., Barrington-Leigh, C. P., Dunn, E. W., Helliwell, J. F., Burns, J., Biswas-Diener, R., Kemeza, I., Nyende, P., Ashton-James, C. E., & Norton, M. I. (2013). Prosocial spending and well-being: cross-cultural evidence for a psychological universal. J Pers Soc Psychol, 104(4), 635–52. https://doi.org/10.1037/a0031578  

Muuß-Merholz, J. (2020) Offene Bildungsressourcen sind nachhaltige Bildungsressourcen! Was OER mit Nachhaltigkeit zu tun hat. OERinfo – Informationsstelle OER (Blog). 09.07.2020. Online verfügbar. https://open-educational-resources.de/was-oer-mit-nachhaltigkeit-zu-tun-hat/ abgerufen am 13.08.2024  

Weinstein, N., & Ryan, R. M. (2010). When helping helps: Autonomous motivation for prosocial behavior and its influence on well-being for the helper and recipient. Journal of Personality and Social Psychology, 98(2), 222–244. https://doi.org/10.1037/a0016984 

Wenger-Trayner, E. & Wenger-Trayner, B. (2020). Learning to make a difference: value creation in social learning spaces. Cambridge University Press. 

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Pascal Piller ist Leiter XR Medienzentrum am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

3 Antworten

  1. Auf meiner Homepage biete ich Unterrichtsmaterialien in Leichter Sprache zu folgenden Themen an: inklusive Berufsorientierung, Lern- sowie Leseförderung, Schulsanitätsdienst und Sprachheilpädagogik. Außerdem gibt es auf meiner Homepage Bereiche zur Theorie der Leichten Sprache und der formativen Evaluation. Bei Interesse einfach mal vorbeischauen: https://educerio.com. Ist kostenlos, bleibt kostenlos und wird regelmässig überarbeitet.

  2. Danke für diesen interessanten und bereichernden Text! Ohne belehrend oder missionarisch zu wirken, hast du en passant auf die tollen Angebote des IWD, inbesondere des XRM, aufmerksam gemacht.

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