Zurück ins Klassenzimmer – mit Wirkung, Sinn und Perspektive

Ob Sie wieder einsteigen oder neu beginnen – hier sind fünf gute Gründe und fünf praktische Tipps, warum sich der Weg zurück ins Klassenzimmer lohnt.

Zum Schulstart haben achtzehn Lehrpersonen im Kanton Bern einen besonderen Brief erhalten – nicht einfach Post, sondern eine Einladung zum Neuanfang. Eva Barraud, Kursleiterin mit Herz und Erfahrung, möchte sie auf dem Weg zurück in den Lehrberuf begleiten.

Der Beruf als Lehrperson ist nicht nur gesellschaftlich bedeutend, sondern auch eine zukunftssichere sowie erfüllende Karriereoption. Wer unterrichtet, gestaltet die Zukunft mit – und entwickelt sich dabei beruflich und persönlich kontinuierlich weiter.

Wir zeigen Ihnen fünf gute Gründe, warum der (Wieder-)Einstieg in den Lehrberuf eine ausgezeichnete Karrierewahl ist – und geben Ihnen ebenso viele Tipps mit auf den Weg, um erfolgreich durchzustarten.

Fünf Argumente, warum sich die Rückkehr ins Klassenzimmer lohnt

  1. Lehrpersonen haben den grössten Einfluss auf den Lernerfolg
    Kein anderer Faktor im Klassenzimmer beeinflusst das Lernen der Schülerinnen und Schüler so stark wie die Lehrperson selbst (Wiliam, 2018, S. 189).
  2. Unterrichten bleibt ein Beruf voller Herausforderungen – ein Leben lang
    Der Lehrberuf ist so komplex und anspruchsvoll, dass ein Leben nicht ausreicht, um ihn vollständig zu meistern. André Previn, ehemals höchstbezahlter Filmkomponist Hollywoods, gab seine Karriere auf mit den Worten: „Ich hatte keine Angst mehr.“ Dieses Gefühl der völligen Routiniertheit – das wird Lehrpersonen nie passieren (Wiliam, 2018, S. 29).
  3. Irren gehört zum Beruf – und zur Entwicklung
    Die besten Lehrpersonen erleben regelmässig, dass ihre Unterrichtsplanung nicht aufgeht. Warum? Weil sie hohe Erwartungen an das Potenzial ihrer Schülerinnen und Schüler stellen – oft höhere als die Kinder und Jugendlichen selbst. Wer ambitionierte Ziele verfolgt, darf auch scheitern. Gerade daraus entstehen persönliches Wachstum und nachhaltige Unterrichtsentwicklung (Wiliam, 2018, S. 29).
  1. Lehrpersonen stiften Sinn und Menschlichkeit
    Sie begleiten Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Denken, Verstehen und zur Sprache – und helfen ihnen dabei, durch Wissen und Reflexion sich selbst besser kennenzulernen. So kommen junge Menschen sich selbst näher – und damit auch anderen (Friedman im Bildungspodcast «Die Schule brennt», 24. Juni 2024).
  2. Attraktive Rahmenbedingungen und geregelte Auszeiten
    Mit rund 12 Wochen unterrichtsfreier Zeit pro Jahr bietet der Lehrberuf nicht nur Sinn, sondern auch die Möglichkeit zur Erholung, Weiterbildung und persönlicher Weiterentwicklung.

5 Tipps für den (Wieder-)Einstieg ins Unterrichten

  1. Lernziele zu gemeinsamen Zielen machen
    Helfen Sie den Schülerinnen und Schülern, die Lernziele zu ihren eigenen zu machen. Nur wenn sie verstehen, wohin sie wollen, können sie ihren Lernprozess aktiv mitgestalten und gezielt Fortschritte beobachten.

  2. Lernfähigkeit als etwas Veränderbares sehen
    Vermitteln Sie die Haltung: Fähigkeit ist nicht angeboren, sondern entwickelbar. Wer glaubt, dass Lernen möglich ist, nimmt Herausforderungen motivierter an und strengt sich an.

  3. Feedback als Wegweiser, nicht als Urteil
    Geben Sie Rückmeldungen, die konkrete nächste Schritte aufzeigen – statt einfach nur zu sagen, was nicht gelungen ist. Effektives Feedback ist wie ein Rezept fürs Weiterkommen (Wiliam, 2018, S. 180).

  4. Echte Fragen führen zu echtem Lernen
    Verzichten Sie auf gekünstelte Fragen, die nur auf eine „richtige“ Antwort zielen. Zeigen Sie stattdessen echtes Interesse an den Denkprozessen der Lernenden. Der Unterricht ist ein gemeinsames Projekt, bei dem es darum geht, Fortschritte zu machen (Fraefel, 2020, S. 46ff, 193).
    Beispiele:
    > Statt: „Ist eine Biene ein Säugetier?“ → „Warum ist ein Delphin ein Säugetier?“
    > Statt: „Was machst du da?!“ → „Was würde dir jetzt helfen, dich auf die Aufgabe zu konzentrieren? Ein ruhiger Platz?“
    > Statt: „Kommen alle draus?“ → „Wer mag am Gruppentisch die Aufgabe gemeinsam zu lösen beginnen?“
    Solche Fragen fördern Dialog und Verantwortung – und machen klassische Classroom-Management-Strategien oft überflüssig.

  5. Orientierung an Gerechtigkeit
    Handeln Sie aus der Überzeugung heraus, dass Gerechtigkeit nicht Gleichheit bedeutet, sondern die Anerkennung individueller Unterschiede. Reflektieren Sie Ihre eigenen (auch unbewussten) Vorurteile und schaffen Sie einen Raum, in dem sich alle Lernenden gesehen und gefördert fühlen (Gould Lundy, 2009, S. 9f).

Und wenn Sie einen Weg finden, all das umzusetzen, lassen Sie es mich wissen!

Infobox

Weitere Informationen finden Sie hier:

Quellen

Fraefel, U. (2020). Praktiken professioneller Lehrpersonen. Mit dem Aufbau zentraler Praktiken zu erfolgreichem Handeln im Unterricht (1. Aufl.). Bern: hep Verlag. Abgerufen von https://www.hep-verlag.ch/praktiken

Gould Lundy, K. (2009). Teaching Fairly in an Unfair World. Markham, Ontario: Pembroke Publishers.

Wiliam, D. (2018). Embedded formative assessment (Second edition). Bloomington: Solution Tree Press.

Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Evelyne Borer ist Dozentin am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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