Abschied, Trauer und Tod mit Kindern thematisieren

Der Tod und anderweitige Verluste sind Teil eines jeden Lebens und auch Kinder kommen bereits früh mit diesen Themen in Berührung. Entsprechend gehört das einfühlsame Thematisieren von Sterben, Abschied und Erinnerung auch zum Bildungsauftrag.

Verluste begleiten uns ein Leben lang – vom frühen Kindesalter bis ins Erwachsenenleben. Besonders einschneidend ist der Tod eines geliebten Menschen. Erwachsene möchten Kinder oft schützen, indem sie dieses Thema aussparen. Doch Kinder erleben Tod und Verlust früh – sei es durch den Tod eines Haustieres, einen Sterbefall in der Familie oder durch Geschichten, Medien und Alltagsbegegnungen. Umso wichtiger ist es, ihnen einen geschützten und professionell begleiteten Rahmen zu geben, in dem sie Fragen stellen, Gefühle ausdrücken und Sprache für ihre Erfahrungen entwickeln können.

Warum der Tod im Unterricht Thema sein soll

Das Thematisieren von Sterben, Abschied und Erinnerung gehört zum Bildungsauftrag: Kinder und Jugendliche brauchen Zugänge, die sie in emotional herausfordernden Situationen stärken und ihnen Orientierung geben. Das IdeenSet „Tod: Erinnern und Vergessen“ bietet hierfür zentrale pädagogische Grundlagen:

  1. Hintergrundwissen und Sicherheit für Lehrpersonen

Lehrpersonen brauchen Sicherheit, wenn sie mit Kindern über Tod und Sterben sprechen. Das Wissen darüber, wie Kinder in verschiedenen Altersstufen über den Tod denken, welche Vorstellungen sie vom Weiterleben entwickeln oder wie religiöse und weltanschauliche Diversität sensibel einbezogen werden kann, bildet dabei eine wichtige Grundlage.

  1. Prävention und Resilienz

Gleichzeitig zeigt die Auseinandersetzung mit dem Tod, dass es sich nicht um ein Thema handelt, das erst in Krisensituationen relevant wird. Vielmehr stärkt sie langfristig die Resilienz der Kinder: Sie fördert ihre Fähigkeit, Emotionen auszudrücken, mit Verlust und Veränderung umzugehen und Empathie zu entwickeln. Wenn Tod und Abschied regelmässig und altersgerecht thematisiert werden, entstehen präventive Wirkungen, die Kinder in späteren belastenden Situationen tragen können.

  1. Methodenvielfalt und Ausdruckswege

Damit dieser Umgang gelingt, braucht es eine Methodenvielfalt, die über das klassische Gespräch hinausgeht. Dabei braucht es vielfältige Zugänge – von Symbolarbeit, kreativem Gestalten und Erzählen über Musik und Bewegung bis hin zu Ritualen, die das Unsagbare sichtbar machen. Diese unterschiedlichen Ausdrucksformen ermöglichen es Kindern, unabhängig von Alter, Persönlichkeit oder kulturellem Hintergrund einen passenden Zugang zum Thema zu finden.

  1. Erinnern, Vergessen und Weitergehen

Ein zentrales pädagogisches Motiv des IdeenSets bildet zudem das Spannungsfeld von Erinnern und Vergessen. Erinnern hilft, Beziehung und Bedeutung zu bewahren; Vergessen schafft Raum für Entlastung und Weiterentwicklung. Rituale können diese Prozesse unterstützen, indem sie Erfahrungen verankern und zugleich neue Perspektiven eröffnen. Lehrpersonen erhalten damit Werkzeuge, um Kindern eine Sprache für ambivalente Gefühle zu geben und sie auf ihrem Weg zwischen Abschied und Weitergehen zu begleiten.

Ein Meditationsweg als Lern- und Erfahrungsraum

Aus diesen Grundlagen heraus entwickelte Lavinia Mazzolena, Katechetin und Lehrerin, unter Einbezug des IdeenSets einen Meditationsweg entlang der Aare – einen niederschwelligen Lern- und Erfahrungsraum für Schulklassen, Familien und Einzelpersonen.
Die Bilderbuchgeschichte „Vogel ist tot“ bildet den erzählerischen roten Faden. Ergänzt wird sie durch Bilder, kurze Texte und Popsongs, die über QR-Codes abrufbar sind. So entsteht ein multisensorischer Zugang, der Kinder wie Erwachsene auf behutsame Weise an Fragen von Abschied, Trauer und Erinnerung heranführt.

Resonanz und Wirkung

Der Weg wurde von Religionsunterrichtsgruppen, Klassen, Familien und Einzelpersonen besucht. Besonders berührend war die Nutzung nach einem tragischen Ereignis: Nach dem Tod eines Kindes einer benachbarten Schule diente der Meditationsweg vielen als Ort des Innehaltens.
Lehrpersonen und Familien fanden hier einen Raum, in dem sie gemeinsam Trauer ausdrücken, Fragen stellen und miteinander ins Gespräch kommen konnten.

Rituale als Abschluss und Übergang

Der Weg endet in der reformierten Kirche von Wangen an der Aare. Dort können Besucherinnen und Besucher eine Kerze anzünden oder ein eigenes Bild zum Thema Erinnerung aufhängen. Dieses Ritual schafft Halt und verbindet die Erfahrung am Weg mit einem Moment des gemeinsamen Weitergehens – ein Beispiel dafür, wie Rituale im Unterricht oder in Projekten emotionale Sicherheit und Orientierung stiften können.

Fazit: Tod im Unterricht thematisieren - kompetent, sensibel und vielfältig

Der Meditationsweg zeigt exemplarisch, wie Unterrichtssettings gestaltet werden können, die Kindern einen sicheren Zugang zu einem existenziellen Thema ermöglichen.
Das IdeenSet „Tod: Erinnern und Vergessen“ liefert dafür wissenschaftliches Wissen, pädagogische Sicherheit und eine Fülle an erprobten Methoden.
Denn Kinder brauchen Räume, um sich mit dem Tod auseinanderzusetzen – nicht nur im Ausnahmefall, sondern als Teil eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses.

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Der Beitrag gibt die Sicht der Autorin bzw. des Autors wieder.
Patrik Böhler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der Pädagogischen Hochschule PHBern.

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